Ecological Law and Governance Association © 2019
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1. Das Umweltrecht ist an einem Scheideweg. Als Rechtsdisziplin hat das Umweltrecht das Ziel verfolgt, die natürliche Umwelt und die Ökosysteme zu schützen. Aber in den letzten 50 Jahren seiner Geschichte ist es dem Umweltrecht nicht gelungen, den ökologischen Niedergang zu stoppen und es ist von diesem Ziel noch immer weit entfernt. Das Ökosystem Erde wird mit wachsender Geschwindigkeit zerstört und es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass es seine Integrität und Nachhaltigkeit zurückgewinnt.
2. Es gibt viele Gründe für die Zuspitzung der ökologischen Krise. Unter ihnen: Die Dynamiken des Wirtschaftswachstums, Bevölkerungsentwicklung und Überkonsum, prägnant auch als „Große Beschleunigung“ bezeichnet. Darüber hinaus gibt es auch Ursachen, die mit den philosophischen, ontologischen und methodologischen Wurzeln des Umweltrechtes selber zu tun haben.
3. Das Umweltrecht wurzelt in der modernen Westlichen Rechtstradition, das seine Ursprünge in religiösem Anthropozentrismus, cartesianischem Dualismus, philosophischem Individualismus und einer utilitaristischen Ethik hat. Im Zeitalter der Ökologie ist diese Weltanschauung veraltet und kontraproduktiv. Dennoch dominiert sie noch immer die Art und Weise, wie Umweltrecht konzipiert und ausgelegt wird. Natur wird als „das Andere“ wahrgenommen – ökologische Zusammenhänge werden dadurch ebenso wie Mensch-Naturbeziehungen übersehen.
4. Zu den Mängeln des Umweltrechts gehören seine anthropozentrischen, fragmentierten und reduktionistischen Eigenschaften. Das Umweltrecht ist blind für ökologische Zusammenhänge und durchsetzungsschwach, wenn es mit machtvolleren Rechtsansprüche konkurriert, wie z.B. persönlichen Eigentumsrechten oder den Rechten von Wirtschaftsunternehmen. Dies führt zu einem Rechtssystem, das nicht ausbalanciert ist und unfähig, die physikalischen und biologischen Grundlagen zu sichern, von denen menschliches Leben und Leben allgemein abhängig sind.
5. Um diese Schwächen des Umweltrechts zu überwinden, reichen Reformen nicht aus. Wir brauchen nicht mehr Gesetze, sondern andere Gesetze, von denen kein Bereich der Rechtsordnung ausgenommen ist. Der ökologische Ansatz im Recht beruht auf Ökozentrik, Ganzheitlichkeit und Gerechtigkeit innerhalb der heutigen Generationen, gegenüber zukünftigen Generationen und gegenüber der natürlichen Mitwelt. Ein solches Recht respektiert die ökologischen Zusammenhänge und bewertet nicht länger menschliche Interessen höher als Belange der Natur und individuelle Rechte höher als unsere kollektive Verantwortung. Ökologisches Recht bezieht die natürlichen Lebensbedingungen in menschliche Existenz ein und macht sie zur Grundlage allen Rechts einschließlich den Verfassungen, den Menschenrechten, den Eigentumsrechten, den Unternehmensrechten und der staatlichen Souveränität.
6. Der Unterschied zwischen Umweltrecht und Ökologischem Recht ist nicht graduell, sondern grundlegend. Das erstere überlässt es den Bedürfnissen und der Willkür der Menschen, den Grad des Schutzes der Integrität ökologischer Systeme zu bestimmen. Das letztere verlangt, dass menschliche Bedürfnisse vom Schutz der Integrität ökologischer Systeme her bestimmt werden. Integrität und Unversehrtheit der Ökosysteme wird zu einer Voraussetzung aller menschlichen Bestrebungen und zum grundlegenden Prinzip des Rechts. Anders gesagt: Ökologisches Recht kehrt das Prinzip der menschlichen Dominanz über die Natur, welches unser heutiges Verständnis des Umweltrecht beherrscht, um in ein Prinzip der Verantwortung des Menschen für die Natur.
7. Die Transformation des Umweltrechtes in Ökologisches Recht wird nicht ohne das Engagement von Menschen gelingen, diesen Wandel zu wollen. Von den Lehrenden und Studenten des Umweltrechts erfordert ein solches Engagement Selbstkritik, Vorstellungsvermögen, Mut und die Bereitschaft, ökologisch sachkundig zu werden. Auf diese Weise werden Umweltrechtsjuristen zu Ökojuristen.
8. Der ökologische Ansatz des Rechts ist keineswegs neu. Die grundlegenden Werte und Prinzipien, auf denen er basiert hat traditionelle Kulturen und indigene Völker überall in der Welt schon viel früher geleitet, und sie sind auch Teil der westlichen Zivilisation. Wenn unsere Vorfahren nämlich nicht so erfolgreich darin gewesen wären, zumindest einen Grad von Nachhaltigkeit zu bewahren, würde die heutige Generation gar nicht existieren. Deshalb ist es auch so wichtig, die Geschichte und die lange Tradition von ökologischen Werten und Prinzipien anzuerkennen. Sie haben auch auf das moderne Umweltrecht eingewirkt, wenn auch nur in einer eher rudimentären Art und Weise und verborgen hinter den dominanten Werten der Moderne (Anthropozentrismus, Dualismus, Utilitarismus u.s.w.).
9. Die Werte und Prinzipien des Ökologischen Rechtes drücken sich aus in ökozentrischer Jurisprudenz (z.B. Rechte der Natur, Rechte der Mutter Erde, Erd-Jurisprudenz, Öko-Feminismus, ökologischer Rechtstheorie , Umweltrechtsmethodologie) und sie sind auch in der Verfassungs- und Völkerrechtstheorie sichtbar (z.B. ökologische Menschrechte, Pachamama-Verfassungen, ökologische Nachhaltigkeit und Integrität, Ökozid-Kampagnen, Commons-Bewegung, Global Commons-Theorie) Obgleich sich ihre Ansätze und Schwerpunkte unterscheiden, teilen sie dennoch die gleichen Grundüberzeugungen und können als sich ergänzend und gegenseitig verstärkend angesehen werden.
10. Dies macht es möglich, ökologische Rechtsansätze zu erkennen mit dem Ziel, einen gemeinsamen Rahmen für effektives Recht und effektive Governance zu entwickeln. Angesichts von gefährdeten ökologischen und sozioökonomischen Systemen und im Hinblick auf ein grösser werdendes, aber immer noch lückenhaftes Verstehen, wie Ökosysteme funktionieren und ihre Widerstandsfähigkeit behaupten, ist jetzt die Zeit Alternativen zu entwickeln.
11. Um dies zu erreichen, schlagen wir eine Roadmap für den Aufbau einer Ökologischen Rechts- und Governances-Vereinigung (ELGA) vor. Sie ist als eine gemeinsame und umfassende Plattform aller bestehenden ökologischen Ansätze zum Recht zu verstehen und soll koordinierte Bemühungen um ökologische Alternativen zu einem „business-as-usual“ Konzept von Recht und Governace propagieren.
12. Die ersten Schritte dieser Roadmap bilden die Einsetzung einer Arbeitsgruppe, der Aufbau einer Website, Brainstorming-Prozesse zur Initiierung neuer Forschungs- und Bildungsvorhaben, die Organisation einer internationalen Konferenz (zum Übergang des Umweltrechts zu einem Ökologischen Recht) und die allgemeine Förderung von ELGA (durch die Mitgliedschaft von Einzelpersonen und von Institutionen).
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