Ein Beitrag von Emmanuel Schlichter – Bild von Cifer88 auf Pixabay
„Die Kläger sehen die Grundlage dafür in der Anerkennung eines übergeordneten Rechts, dem Recht der Natur auf Unversehrtheit.“ Mit diesen Worten leitet der vorsitzende Richter in dem Film „Ökozid“ der ARD das Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ein. Hieraus wird bereits die Zielsetzung des Ökozids klar, die Etablierung der Rechte der Natur.
Ökozid hat in den letzten Monaten an Zuspruch erlangt und eine Debatte über dessen Einführung angestoßen. So viel Genugtuung eine strafrechtliche Verfolgung von Umweltzerstörung bringen mag, so darf das eigentliche Ziel nicht aus den Augen verloren werden: der Erhalt der Natur. Die Gründerin von StopEcocide Jojo Mehta definiert zwei Ziele des Ökozids: „Erstens, um zu verhindern, dass Firmen die Natur zerstören. Zweitens, um Firmen zu ermöglichen, nachhaltig zu wirtschaften und konkurrenzfähig zu bleiben.“1 (1 https://www.geo.de/natur/nachhaltigkeit/23180rtklumweltzerstoerung-oekozid-als-straftat-sind-wir-alle) Sie sieht das Strafrecht als Leiter menschlicher Handlungen. Sicherlich ist Strafe ein Teil der Präventivfunktion, allerdings sind auch Werte, Kultur und gesellschaftliche Akzeptanz starke Leiter gesellschaftlicher Entwicklungen.
Werte und Kultur unserer westlichen liberalen Gesellschaften sind von ihrer durch die Grundrechte geprägten Werteordnung geleitet. Diese Werteordnung gilt es an die realen tatsächlichen Bedürfnisse anzupassen. Menschliche Abhängigkeit vom Wohlergehen der Natur bedingt dessen Wertschätzung aus sich heraus. Der Fortbestand des freiheitlichen Lebens erfordert das Wohlergehen seiner Lebensgrundlagen. Zurzeit wird die Natur bisher rechtlich bloß durch die Beschränkung anderer rechtlich geschützter Rechte vor Eingriffen bewahrt (Verbote). Etablierung der Rechte der Natur kann dieses Vorgehen ergänzen und den Schutz der Natur mitbegründen.
Ökozid als bloß monetäre Bestrafung, wie im Film dargestellt, leidet unter einem entscheidenden Nachteil: der Legitimation von Umweltzerstörung durch Zahlung. Dies würde bedeuten, dass große Umweltzerstörer durch monetäre Zahlungen Ihre Zerstörung fortführen und eventuell die finanziellen Nachteile einfach auf die Endverbraucher umlagern könnten,ohne selbst Nachteile zu erleiden. Wie bei Parkverstößen, würden Zahlungsfähige weiter die Regeln brechen.
Strafrechtliche Verfolgung kann Entscheider dazu bewegen andere Entscheidungen zutreffen, allerdings läuft eine solche Regelung Gefahr umgangen oder langwierig zu werden. Man denke an die Steuerhinterziehung, wo Regelungen umgangen werden und selbstbei Verurteilung milde Strafen verhängt werden. Wer die finanziellen Mittel hat wird sich einer Strafe entziehen können oder diese solange durch Tochterfirmen und Mittelsmänner verschleiern bis die Zerstörung längst vergessen ist.
Für den Ökozid bedarf es des Weiteren auch einer juristischen Brücke. Aus dem Recht auf Leben wird das Recht der Natur abgeleitet, bzw. Pflichten dieser gegenüber, woraus sich bei Verletzung dessen, eine Strafbarkeit ergibt. Demnach geht Ökozid zwei Schritte auf einmal. Wenn erst der Schritt der Etablierung der Rechte der Natur gegangen würde, wäre die Grundlage für den Ökozid geschaffen.
Diese Grundlage würde dann eine Bestrafung bei dessen Verletzung nach sich ziehen. So ist es mit der Bestrafung von Diebstahl, welche eine Verletzung des Eigentums gem. Art. 14 GG schützt. In einer Gesellschaft ohne Schutz des Eigentums wäre die Bestrafung einer Verletzung dessen illegitim. Die Rechte der Natur sind somit notwendig für die Legitimität jeglicher Etablierung eines Ökozids.
Zudem gehen die Rechte der Natur über die Bestrebungen des Ökozids hinaus. Das allumfassende Konzept der Grundrechte wird ergänzt und leitet den gesellschaftlichen und rechtlichen Wandel ein. Ökozid möchte Entscheider durch Strafe lenken, Rechte der Natur hingegen beeinflusst die gesamte rechtliche Struktur, die jegliches wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben mit umfasst. Daneben werden gesellschaftliche Werte mitgeprägt. Nach Etablierung dieser Werte, werden diese von Menschen mit Leben gefüllt. Beispiel für diesen Prozess ist in der amerikanischen Verfassung zu finden, wo der Satz „all men are created equal“ gewaltigen Einfluss auf den Verlauf der amerikanischen Geschichte nahm. Dieser Teil der Declaration of Independence diente als Waffe für die Befreiung der Schwarzen, als Anker der Gerechtigkeit und als argumentatives Mittel für das Anliegen der Gleichberechtigung. Das geschriebene Recht hat Auswirkungen weit über die unmittelbaren hinaus. Grundrechte spiegeln die Gesellschaft wider und prägen sie ebenso. Diese Reziprozität stellt die volle Macht der Rechte der Natur dar.
Rechte der Natur ist eine Einladung an die Gesellschaft, einen liberalen, rechtsstaatlichen und demokratischen Staat aufrecht zu halten und über zuleiten in eine Zeit, in der die menschliche Lebensgrundlage gewahrt wird, bei gleichzeitig größtmöglicher Freiheit der Menschen in unseren Gesellschaften. Dies wird erreicht durch übliche juristische Mittel,wie die Verhältnismäßigkeitsprüfung. Grundrechte der Menschen und Natur jeglicher Art werden in jeder Entscheidung durch Abwägung zu ihrer größtmöglichen Freiheit verholfen. Unsere Gesellschaft basiert auf dem Prinzip: „die Freiheit eines jeden beginnt dort, wo die Freiheit eines anderen aufhört.“ Diese Prämisse wird nach Etablierung der Rechte der Natur wie selbstverständlich auf die Natur ausgeweitet.
Die Rechte der Natur bieten auch einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Ökozid. Sie können auf verschiedene Weisen effektiv implementiert werden. Ökozid erscheint nur vor dem Internationalen Strafgerichtshof implementierbar und ist auf nationaler Ebene eher unwahrscheinlich, insbesondere da Probleme mit dem Rechtsstaatsprinzip und die Gefahr der Verwässerung herrschen. Die Rechte der Natur können nicht nur durch das Parlament und durch verschiedene Ansätze vor Gerichten eingesetzt werden, sondern auch durch Volksbegehren und somit durch direkte Bürgerinitiative.
Ökozid und die Rechte der Natur gehen somit rechtlich Hand in Hand. Ja Ökozid bedingt die Rechte der Natur. Zudem erfüllen die Rechte der Natur sogar das Ziel der Ökozid-Unterstützer noch umfänglicher, da es umfassender und langfristiger wirkt. Letztlich sind die Rechte der Natur gestaltend präventiv, während Ökozid im Nachhinein für Versäumnisse bestraft und wenig Gestaltungsspielraum lässt. Es gilt die Natur vor Zerstörung zu bewahren.
Letztlich sind die Rechte der Natur auf die Bürger selbst angewiesen diese um- und durchzusetzen, da diese dann im Namen der Natur dessen Rechte verteidigen können. Damit wird jeder Mensch Wächter, Vater, Mutter und Beschützer der Natur. Die Rechte der Natur werden das Werkzeug der Bürger, die Interessen der Natur zu beschützen.
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