Von Stefan Knauß in der Zeitschrift für Praktische Philosophie, Band 7, Heft 2, 2020, S. 221–244 – www.praktische-philosophie.orghttps://doi.org/10.22613/zfpp/7.2.9
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Zusammenfassung: Die Verfassung von Ecuador (2008) enthält als weltweit erste Rechte der Natur (engl. Rights of Nature, „RoN“). Natur wird neben Menschen und Körperschaften als Rechtsträger benannt (Art. 10). Ihr wird ein Recht auf Existenz und Regeneration(Art. 71) zugesprochen, das unabhängig von menschlichen Rechten gilt (Art. 72) und von allen Menschen weltweit eingeklagt werden darf (Art. 73). Die Verfassung stützt sich auf den indigenen Naturbegriff Pachamama und erläutert deren Schutzanspruch durch das andine Konzept des Guten Lebens (span. buen vivir). Die Umweltethik (Environmental Ethics) bezeichnet ein holisitisches Naturverständnis als „Ökozentrismus“, wenn der Natur als überindividueller Ganzheit ein irreduzibler Schutzstatus zugesprochen wird. Der umweltethische Ökozentrismus der Verfassung von Ecuador lässt sich erfolgreich gegen drei Kritiken verteidigen. Ökozentrische Positionen seien, 1) unvereinbar mit dem methodischen Individualismus der Menschenrechte. Ökosysteme selbst seien 2) „bloß“ vom menschlichen Beobachter abhängige Entitäten, die 3) über kein inhärentes Kriterium für Schädigungen verfügten.
Die Konkretisierung des Ökozentrismus in Bezug auf die Verfassung von Ecuador erlaubt drei Thesen: 1) Der Schutz der Natur als überindividueller Ganzheit darf nicht als alleiniges ethisches Prinzip (monistischer Holismus) missverstanden werden. Innerhalb eines pluralistischen Holismus besitzt der Ökozentrismus nicht per se Vorrang gegenüber den Interessen individueller Naturwesen und juristischer Personen. 2) Da Ökosysteme im Gegensatz zu individuellen Naturwesen keine ontologisch selbstständigen Entitäten sind, lassen sich deren Rechte nicht analog zu denen natürlicher Personen begründen. Die Environmental Personhood (Gordon 2018) ist gemäß der Association Theory der Rechtspersönlichkeit als ein menschliches Konstrukt zu verstehen (Miller 2019). 3) Der Maßstab für die Schädigung von Ökosystemen kann nicht als ein der Natur inhärentes, objektives Kriterium „aufgefunden“ werden. Ökologische Schäden an der „Integrität, Stabilität und Schönheit“ (Leopold 1949) der Natur sind vielmehr Schäden an menschlichen Werten. Als solche entspringen sie im Falle der ecuadorianischen Verfassung vor allem nichtinstrumentellen menschlichen Bezugnahmen auf die Natur. Der Natur wird hierbei eudaimonistischer Wert und moralischer Selbstwert zugeschrieben (Potthast et al. 2007)
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